Expertentipp: Ablehnung eines Richters/in wegen Befangenheit

Expertentipp: Ablehnung eines Richters/in wegen Befangenheit

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Holger Weismantel

Es kommt glücklicherweise sehr selten vor, aber jeder Verfahrensbevollmächtigte bzw. Verfahrensbeteiligte kann vor Gericht in die Situation kommen, dass der berechtigte Eindruck entsteht, dass der gesetzliche Richter/in nicht neutral bzw. unparteiisch ist, sodass die Einreichung eines Antrags auf Ablehnung des Richters/in wegen Befangenheit in Erwägung gezogen werden muss.

Der Verfasser musste kürzlich in einem familienrechtlichen Verfahren bei einem vor den Toren Frankfurts gelegenen Gericht einen Antrag auf Ablehnung der zuständigen Richterin wegen Befangenheit stellen. Dieses ist zum einen ein Schritt, den man sich als langjähriger Verfahrensbevollmächtigter nicht einfach macht und auch nicht machen sollte, zum anderen sind einige Gegebenheiten zu beachten, da die gesetzlichen Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO hierfür ein gesetzlich genau normiertes Verfahren vorsehen. Weniger häufig vorkommende Fälle eine Ablehnung wegen Befangenheit sind Gründe, die direkt in der Person des Richters/in begründet sind. Beispielsweise Verwandtschaft mit einer der Parteien, ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits oder eine mittelbare Beteiligung des Richters/in an dem Verfahren. Auch herabwürdigende und beleidigende Äußerungen der Gerichtsperson gegenüber den beteiligten Rechtsanwälten oder Parteien, begründen die Besorgnis der Befangenheit und können zu einer Ablehnung des gesetzlichen Richters/in führen.

Weit häufiger kommen jedoch die Fälle vor, in welchen sich die Besorgnis der Befangenheit aufgrund einer Verfahrensführung ergibt, welche erkennbar eine Partei bevorzugt. Dies kann sich beispielsweise darin äußern, dass die Gerichtsperson ihr Neutralitätsgebot damit verletzt, dass einer Partei ein Rat oder eine Empfehlung gegeben wird, aber auch eine Verfahrensführung, die jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, fällt in diese Fallgruppe. Dies sind beispielsweise die einseitige Auslegung von Verzögerungsvorschriften oder das Unterlassen einer Förderung des Verfahrens zugunsten einer Partei oder einseitige Absprachen mit einer Partei. Letztlich sind die zweitgenannten Fälle die Ablehnungsgründe, welche weit schwieriger nachzuweisen sind, deshalb lässt es das Gesetz auch bereits als ausreichend gelten, wenn „Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an einer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen“.

Ein Antrag auf Ablehnung eines Richters/in wegen Befangenheit kann vom Verfahrensbevollmächtigten direkt in der mündlichen Verhandlung gestellt werden oder im Anschluss schriftlich. Es ist auch nicht so, dass der Ablehnungsgrund vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung geltend gemacht werden muss, eine Partei kann die Gerichtsperson bis zum vollständigen Abschluss einer Instanz ablehnen (BGH NJW-RR 2007, 1653). Die Rechtsfolge der Ablehnung ist, dass der Richter/in bis zum Abschluss einer Entscheidung über die Befangenheit eine Wartepflicht hat. Zunächst entscheidet ein anderer Richter/in des mit dem Verfahren befassten Gerichts, weist dieser den Antrag zurück, kann hiergegen die sofortige Beschwerde eingelegt werden, im Anschluss entscheidet dann erforderlichenfalls ein höheres Gericht über die Ablehnung wegen Befangenheit.

In dem oben beschriebenen Fall des durch den Verfasser eingelegten Befangenheitsantrags, richtete sich die Ablehnung der Richterin aufgrund deren Zuständigkeit in zwei verschiedenen, parallel anhängigen Verfahren. Zu beachten ist die Vorschrift des § 43 ZPO, danach kann eine Heilung der Befangenheit dadurch eintreten, dass die ablehnende Partei sich widerspruchslos in die mündliche Verhandlung einlässt. Die Ablehnung kann sich dann auf Gründe richten, die nach der mündlichen Verhandlung entstanden sind, dies ist in § 44 Abs. 4 ZPO geregelt. Wichtig ist, dass eine etwaige Heilung sich nur auf das anhängige Verfahren, in welchem mündlich verhandelt wurde, bezieht, grundsätzlich kann eine Partei also den Ablehnungsgrund auch in einem späteren bzw. parallel anhängigen Verfahren geltend machen (Karlsruhe NJW RR 92, 572). Dies ist auch sachgerecht, da ein Richter/in, welcher sich in einem Verfahren so verhalten hat, dass nicht von einer Unvoreingenommenheit auszugehen ist, selbstverständlich auch in einem späteren oder parallel geführten Verfahren voraussichtlich nicht mehr als unparteiisch anzusehen ist.

Richtschnur für das Vorliegen einer Befangenheit könnte folgender in der Rechtsprechung häufig wiedergegebene Grundsatz sein: „Befangen ist nicht nur der Richter, der eine Partei zum Nachteil der anderen begünstigen will, sondern auch der Richter, der einer Partei nicht das zukommen lassen will, was das Recht -und sei es auch „nur“ das Verfahrensrecht- ihr zugesteht“. Ein Befangenheitsantrag sollte insgesamt die Ausnahme darstellen und im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden, allerdings geht die richterliche Unabhängigkeit nicht so weit, dass Anwälte und Parteien vor Gericht sich im sprichwörtlichen Sinne „alles gefallen lassen sollten“.

Holger Weismantel, 13. Juni 2025

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