Keine Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt bei Kontaktabbruch des Vaters gegenüber seinem volljährigen Sohn
Keine Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt bei Kontaktabbruch des Vaters gegenüber seinem volljährigen Sohn
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2014
Der BGH hatte in einer aktuellen Entscheidung darüber zu urteilen, ob ein Elternteil den Anspruch auf Elternunterhalt gegenüber seinem volljährigen Sohn dadurch verloren hat, dass zum einen der Kontakt zum Sohn vom Vater nach Erreichen des Abiturs abgebrochen wurde und zum anderen der Vater seinen Sohn später testamentarisch enterbt hatte. Der BGH hat entschieden, dass der Vater trotzdem einen Anspruch auf Elternunterhalt gegenüber seinem Sohn hat, weil er bis zum Erreichen des 18 Lebensjahres seines Sohnes seinen elterlichen Pflichten nachgekommen ist und sich um diesen gekümmert hat. Der spätere Kontaktabbruch und die Enterbung führen im Ergebnis nicht dazu, dass der Vater, der in einem Pflegeheim untergebracht ist und dessen finanzielle Mittel zur Bezahlung der Heimkosten nicht ausreichen, seinen Anspruch auf Elternunterhalt verliert. Die Presseerklärung des Bundesgerichtshofs zu der Entscheidung lautet wie folgt:
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein vom Unterhaltsberechtigten ausgehender einseitiger Kontaktabbruch gegenüber seinem volljährigen Sohn für eine Verwirkung seines Anspruchs auf Elternunterhalt allein regelmäßig nicht ausreicht.
Die Antragstellerin, die Freie Hansestadt Bremen, verlangt von dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht Elternunterhalt. Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971; ihre Ehe wurde noch im selben Jahr geschieden. Der Antragsgegner verblieb im Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahr 1972 brach der Kontakt des volljährigen Sohnes zu seinem 1923 geborenen Vater ab. Dieser bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte. Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten solle. Erläuternd führte der Vater in dem Testament aus, dass zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er starb im Februar 2012. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Hinblick auf die seinem Vater in der Zeit von Februar 2009 bis Januar 2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbachten Leistungen auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 9.022,75 € in Anspruch.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Antrag zurückgewiesen, weil der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt sei. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des Oberlandesgerichts auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben, die Beschwerde zurückgewiesen und damit die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt. Der – zur Höhe unstreitige – Anspruch auf Elternunterhalt war trotz des Kontaktabbruchs zu dem volljährigen Sohn nicht nach § 1611 Abs. 1 BGB* verwirkt.
Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus § 1618 a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt aber nur bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits hat er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Er hat daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Die Errichtung des Testaments selbst stellt keine Verfehlung dar, weil der Vater insoweit lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht hat.
Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12
Holger Weismantel, 12. Februar 2014
Sie haben Fragen?
Gerne sind wir für Sie und Ihre Anliegen rund um die Themen Familienrecht, Erbrecht und Wohnungseigentumsrecht da. Nutzen Sie dazu unsere verschiedenen Kontaktmöglichkeiten.