Das paritätische Wechselmodell und dessen unterhaltsrechtliche Auswirkungen

Das paritätische Wechselmodell und dessen unterhaltsrechtliche Auswirkungen

Frankfurter Rundschau vom 29. September 2020

Von einem paritätischen Wechselmodell ist dann auszugehen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben übernimmt. Durch die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2017, worin dieser entschieden hat, dass ein solches Wechselmodell auch gegen den Willen eines Beteiligten durchgesetzt werden kann, ist das Wechselmodell wieder vermehrt Gegenstand anwaltlicher Beratung.

Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind übernimmt oder ob ein paritätisches Wechselmodell vorliegt, ist eine Frage der richterlichen Würdigung. Der zeitlichen Komponente kommt in diesem Zusammenhang lediglich eine Indizwirkung zu, ohne dass sich die Beurteilung alleine hierauf zu beschränken hat. In einer richterlichen Entscheidung aus dem Jahr 2019, wurde selbst bei einer zeitlichen Mitbetreuung von 45%, nicht von einem Wechselmodell ausgegangen. Ein Wechselmodell liegt insoweit nur dann vor, wenn Versorgungs- und Erziehungsaufgaben von nahezu hälftigen Anteilen übernommen werden.

Von barunterhaltspflichtigen Vätern wird das Wechselmodell häufig als eine Art „Sparmodell im Hinblick auf den Kindesunterhalt“ angesehen. Diese Bewertung ist insoweit missverständlich, als die Bemessung des Bedarfs für das Kind beim Wechselmodell aus dem zusammengerechneten Elterneinkommen vorgenommen wird, was häufig dazu führt, dass ein um zwei bis drei Einkommensstufen höherer Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zugrunde gelegt wird. Auch begegnet man in der anwaltlichen Beratung immer wieder dem Missverständnis, dass bei einem über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht, welches sich bereits einer Mitbetreuung annähert, bereits die Voraussetzungen eines Wechselmodells vorliegen. Selbst eine solche Konstellation ändert nichts an der Aufteilung zwischen Barunterhaltspflicht des einen Elternteils und Betreuungspflichten des anderen Elternteils.

Die auf den Vater entfallende Quote ist häufig nicht weit von dem entfernt, was er vorher ohne Wechselmodell gezahlt hat, dies wird häufig übersehen und durch nachfolgendes Rechenmodell des OLG Dresden aus dem Jahr 2015 (Düsseldorfer Tabelle und Kindergeld Stand 2015, Methodik aktuell) verdeutlicht:

Einkommen Vater EUR 2.891,90
Einkommen Mutter EUR 1.407,07
Gesamteinkommen Vater und Mutter EUR 4.278,97

Bedarf Kind lt. Düsseldorfer Tabelle abzüglich hälftiges Kindergeld (EUR 525,00 – EUR 92,00) EUR 433,00 + Wohnmehrkosten EUR 39,14 + Fahrtmehrkosten EUR 150,00 + Hort EUR 40,00 = Gesamtbetrag EUR 662,18 (mit Mehrbedarf)

Das OLG Dresden kommt bei der vorliegenden Konstellation zu folgenden Haftungsanteilen am Gesamtbedarf des Kindes in Höhe von EUR 662,18:

Vater EUR 619,95
Mutter EUR 42,23

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass in Anbetracht der durch das Wechselmodell verursachten zusätzlichen Fahrtkosten, der Vater letztlich sogar einen höheren Betrag zahlen muss, als dies nach einer Bedarfsermittlung über die Düsseldorfer Tabelle nach dessen Eigeneinkommen der Fall wäre.

Natürlich sollte ein Wechselmodell dann, wenn dies dem Wohle des Kindes zuträglich ist, auch verwirklicht werden, die Beteiligten sollten sich jedoch darüber klar sein, dass nur in den seltensten Fällen der barunterhaltspflichtige Elternteil hierdurch Unterhaltszahlungen einsparen kann. Des Weitern ist zu berücksichtigen, dass die Berechnung der anteiligen Haftung der Kindeseltern extrem anspruchsvoll und komplex ist und insoweit sowohl außergerichtlich, als auch im gerichtlichen Verfahren, ein erhöhter Zeit- und Kostenaufwand im Rahmen der anwaltlichen Bearbeitung entsteht.

Holger Weismantel, 29. September 2020

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