Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Holger Weismantel

Wer enterbt ist oder wem aus sonstigen Gründen der Zugang zu seinem gesetzlichen Erbrecht verwehrt ist, hat nach dem Gesetz die Möglichkeit auf Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs. Dabei können sich verschiedene rechtliche Schwierigkeiten sowie Fallstricke ergeben, die den Betroffenen zur Vermeidung eines vollständigen Rechtsverlustes zumindest rudimentär bekannt sein sollten.

 Im Erbfall haben nach dem Gesetz verschiedene Personen den Anspruch auf die Geltendmachung des Pflichtteils, dabei handelt es sich um den Ehegatten, die Abkömmlinge des Erblassers sowie dessen Eltern. Sind Abkömmlinge vorhanden, schließen diese als Erben erster Ordnung die Eltern des Erblassers von der Erbfolge aus. Eltern hingegen schließen Geschwister des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge aus, wobei zu beachten ist, dass bei Erben entfernter Ordnungen lediglich die Eltern, aber nicht mehr die Geschwister einen Anspruch auf Geltendmachung des Pflichtteils haben. Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch, d.h. mit dem Erbfall wird man nicht automatisch Rechtsinhaber sondern der Pflichtteilsanspruch muss eigeninitiativ geltend gemacht werden, dabei ist zu beachten, dass das Gesetz hierfür eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorgesehen hat.

Beispielgebend könnte es sich um einen Erbfall handeln, in welchem Ehegatten mit zwei Kindern im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben und ein gemeinschaftliches Testament verfasst haben, in welchem eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel enthalten ist, d.h. macht ein Abkömmling nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil geltend, so hat dieser auch nach dem Tode des Letztversterbenden nur noch den Anspruch auf einen Pflichtteil, er wird insoweit vom Erbe ausgeschlossen. In der vorgenannten Sachverhaltskonstellation hätten die Kinder jeweils ein gesetzliches Erbrecht von 1/4, mithin ergibt sich ein Pflichtteilsanspruch je Kind von 1/8. Um sich ein Bild vom Nachlass machen zu können, haben Erben und Pflichtteilsberechtigte den Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gegen die oder den Erbschaftsbesitzer. Im vorgenannten Fall mit einer testamentarisch verfügten Pflichtteilsstrafklausel ist zu beachten, dass lediglich die Geltendmachung des Auskunftsrecht nach dem Tode des Erblassers noch nicht mit der erbausschließenden Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches gleichzusetzten ist, d.h. derjenige der aufgrund einer entsprechenden Pflichtteilsstrafklausel „enterbt“ ist, kann sich erstmal einen Überblick über die Erbschaft verschaffen, ohne dass dies mit einem Verlust der Erbenstellung verbunden ist. Nur dann, wenn testamentarisch verfügt ist, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruches automatisch mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches gleichgesetzt ist, verliert derjenige, welcher den Auskunftsanspruch geltend macht, auch sein Erbrecht nach dem Tode des Letztversterbenden.

Wichtig für Pflichtteilsberechtigte ist, dass diese sich einen Überblick über den Stand der Erbschaft machen können. Entspricht der Pflichtteil nicht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils oder hat der Erblasser beispielsweise durch die Erbschaft reduzierende Schenkungen von Geld oder Immobilien den Nachlass geschmälert, besteht die Möglichkeit, einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend zu machen, d.h. der Nachlasswert und damit auch der Wert des Pflichtteils berechnet sich in diesen Fällen unter Hinzufügung des Wertes der beeinträchtigenden Schenkungen.

Holger Weismantel, 7. Juli 2022

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