Erbverträge – wirksames Instrument zur Steuerung des Nachlasses
Erbverträge – wirksames Instrument zur Steuerung des Nachlasses
Frankfurter Rundschau vom 29. Oktober 2015
Zwischen Ehegatten, aber auch zwischen Verwandten im Allgemeinen, taucht immer wieder die Frage auf, wie im Erbfall eine von der gesetzlichen Regelung abweichende, geordnete Übergabe des Nachlasses vereinbart werden kann. Dabei kann zum Beispiel im Falle der Wiederverheiratung der Wunsch eine Rolle spielen, einen Übergang des Vermögens an den neuen Ehegatten zu vermeiden, aber auch Gesichtspunkte wie die Enterbung eines Abkömmlings oder die Anordnung eines Vermächtnisses, sind oft Zielsetzung der Nachlasssteuerung. In diesen Fällen bietet sich häufig der Erbvertrag als probates Mittel zur Vereinbarung erbvertraglicher Verfügungen an.
Im Gegensatz zu dem gemeinschaftlichen Testament, kann ein Erbvertrag nicht nur von Ehegatten und Lebenspartnern, sondern auch von sonstigen Personen, zum Beispiel den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Eltern und ihren Kindern oder von Geschwistern geschlossen werden. Der Erbvertrag bietet insoweit als erbrechtliches Steuerungsmittel einem wesentlich breiter gestreuten Personenkreis die Möglichkeit, für den Fall des Todes von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Bestimmungen vertraglich zu fixieren. Nicht jede europäische Rechtsordnung kennt dabei das Konstrukt des Erbvertrages, beispielsweise ist im spanischen Recht der Erbvertrag weitgehend unbekannt. In Artikel 25 Abs. 2 der neuen, ab dem 17.08.2015 gültigen EU-Erbrechtsverordnung, ist insoweit auch geregelt, dass ein Erbvertrag nur geschlossen werden kann, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die auf die Rechtsnachfolge der am Erbfall beteiligten Personen anzuwenden wären. In diesem Zusammenhang stellt die neue europäische Erbrechtsverordnung primär auf den Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes ab.
Der Abschluss eines Erbvertrags erfordert die notarielle Beurkundung, zu beachten ist, dass bereits mit dem Vertragsschluss eine Bindung an die vertraglichen Verfügungen eintritt. Hierdurch unterscheidet sich der Erbvertrag vom gemeinschaftlichen Testament, welches erst dann Bindungswirkung für beispielsweise den überlebenden Ehegatten entfaltet, wenn der Partner verstorben ist.
Ob im Einzelfall das gemeinschaftliche Testament oder der Erbvertrag vorzugswürdig ist, entscheidet sich sowohl nach dem Personenkreis, welcher eine letztwillige Verfügung treffen möchte, als auch nach der Zielsetzung der letztwilligen Verfügung. Ein Erbvertrag ist beispielsweise dann vorzugswürdig, wenn mit dem Vertragsschluss ein entgeltliches Rechtsgeschäft verbunden ist, sich der Vertragspartner zum Beispiel gegenüber dem Erblasser verpflichtet, diesem über einen längeren Zeitraum Unterhaltszahlungen oder Pflegeleistungen zukommen zu lassen. Demjenigen, der die Pflegeleistungen erbringt, kann in diesen Fällen ein unverrückbarer Anspruch auf Zuwendungen nach dem Todesfall, beispielsweise in Gestalt eines Vermächtnisses oder einer Erbeinsetzung, vertraglich eingeräumt werden.
Beispielsfall: Der M und die F beabsichtigen die Ehe zu schließen, in diesem Zusammenhang soll der Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung der Ehe ausgeschlossen werden, ferner soll weitestgehend auf nachehelichen Unterhalt und auf den Versorgungsausgleich im Rahmen einer ehevertraglichen Regelung verzichtet werden. Beide Parteien waren jeweils bereits in erster Ehe verheiratet. Während der M vermögenslos ist, allerdings zwei volljährige Söhne aus erster Ehe hat, besitzt die F ein ganz erhebliches Vermögen, hat aber keine Kinder. Zielsetzung ist, dass neben dem Abschluss des Ehevertrags, auch eine erbrechtliche Regelung gefunden wird, die ausschließt, dass im Falle eines Vorversterbens der F, die beiden volljährigen Söhne des M zu einem späteren Zeitpunkt Erben oder Begünstigte des Vermögens der F werden. Die F hat die Vorstellung, dass ihre beiden Schwestern im Falle des Todes des M schließlich ihr gesamtes Vermögen als Schluss- oder Nacherben erhalten.
Bei vorliegender Fallkonstellation besteht die Möglichkeit, zusammen mit dem Ehevertrag kostengünstig die Vereinbarung eines Erbvertrags zu protokollieren, da für die Protokollierung des Erbvertrags keine zusätzlichen Kosten für die Inanspruchnahme des Notars entstehen. Das Interesse der F, eine Beteiligung der beiden Söhne des M am Nachlass zu verhindern, kann durch Einsetzung des M als Vorerben und Einsetzung der beiden Schwestern der F als Nacherben erreicht werden. Für den Fall des Vorversterbens der F, wird deren Vermögen zunächst durch den M verwaltet, im Falle des Nachversterbens des M geht das Vermögen der F dann auf deren Schwestern als endgültige Erben über. Der M, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über kein wesentliches Vermögen verfügt, kann die F hingegen als Alleinerbin einsetzten, da diese keine Abkömmlinge hat, deren Begünstigung verhindert werden soll.
Zu beachten ist, dass die Bindungswirkung eines Erbvertrags grundsätzlich nur durch Aufhebungsvertrag beseitigt werden kann. In seltenen Fällen kommt ein gesetzliches Rücktrittsrecht oder die Anfechtung des Erbvertrags in Betracht. Soll die Bindungswirkung des Erbvertrags begrenzt werden, sollte insoweit ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart werden. Für Ehegatten gilt die Vorschrift des § 2077 BGB, wonach durch die Auflösung der Ehe oder durch die Einreichung eines Antrags auf Ehescheidung, die Bindungswirkungen des Erbvertrags beseitigt werden. Eingetragene Lebenspartner sollten allerdings in jedem Fall ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren, da eine adäquate Vorschrift für die Lebenspartnerschaft nicht existiert.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Erbvertrag als erbrechtliches Gestaltungsinstrument in verschiedenen Fällen gegenüber anderen letztwilligen Verfügungen vorzugswürdig ist, insbesondere Personen, die nicht miteinander verheiratet sind und gemeinschaftlich verfügen möchten, werden in vielen Fällen den Erbvertrag anderen erbrechtlichen Verfügungen vorziehen. Im Einzelfall sollte die Sachverhaltskonstellation genau analysiert werden, um dann gezielt das geeignete erbrechtliche Gestaltungsinstrument auszuwählen.
Holger Weismantel, 29. Oktober 2015
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