Expertentipp: Richtig enterben
Expertentipp: Richtig enterben
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Holger Weismantel
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einer Kasuistik des Enterbens und der Frage, ob entsprechende Regelungen, welche zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust des gesetzlichen Erbteils führen, von der Rechtsprechung als wirksam oder unwirksam angesehen werden.
Ein Fall beschäftigte sich beispielsweise damit, dass eine Tochter, die im Haus ihres Vaters wohnte, ihr Erbe dann verlieren sollte, wenn diese durch lärmintensives Feiern die Nachbarschaft der selbstbewohnten Immobilie des Vaters belästigte. Zunächst macht diese Intention der Erblasser den Eindruck, dass mit solchen oder ähnlichen Begründungen ein Erbrecht nicht entzogen werden kann. Allerdings übersehen Laien häufig, dass eine Enterbung grundsätzlich keiner Begründung bedarf, es ist also normalerweise noch nicht einmal ein Fehlverhalten erforderlich, um beispielsweise einem Abkömmling das gesetzliche Erbrecht zu entziehen. Ähnlich hat die Judikatur auch in dem vorgenannten Fall geurteilt und grundsätzlich darin keine unzulässige Beschränkung des Erben durch den Verfasser des Testaments gesehen. Die Testierfreiheit ist in unserer Rechtsordnung ein sehr hohes Gut.
In einem weiteren Fall hat beispielsweise ein im Hause seiner Mutter lebender alleinerziehender Sohn eine Nachbarin kennengelernt und mit dieser eine enge Beziehung angefangen. Diese Beziehung war dessen Mutter als Eigentümerin des Hauses ein Dorn im Auge, weshalb diese in ihrem Testament den Sohn für den Fall enterbte, dass die Nachbarin in das Haus zu einem späteren Zeitpunkt einziehen werde, faktisch wurde ein Betretungsverbot verhängt. Als es zum Erbfall kam, hat sich der Sohn gerichtlich gegen diese Regelung zur Wehr gesetzt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter damit in unzumutbarer Art und Weise Einfluss auf das Leben des Sohnes genommen hat, im Übrigen war das Testament jedoch wirksam. Die Verfügung zulasten der Nachbarin hat das Gericht als sittenwidrig angesehen. Grundsätzlich hat das Gericht jedoch auch darauf hingewiesen, dass Bedingungen zur Regelung der Nutzung des Hauses testamentarisch grundsätzlich rechtswirksam sind, nur die plötzliche Verwehrung des Zugangs der Nachbarin zu der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls, wurde von dem Gericht beanstandet (AZ: 10 U 58/21).
Eine andere gerichtliche Entscheidung betrifft zum Beispiel die vom Erblasser verhängte Bedingung, dass dann, wenn der eigene Sohn seine Lebensgefährtin heiratet, dieser enterbt wurde. Diese testamentarische Beschränkung wurde als zulässig angesehen. Die Besonderheit dieses Falls war aber, dass ein sittenwidriger Druck zu Lebzeiten des Erblassers auf den Sohn nicht ausgeübt wurde, da das Testament sich in amtlicher Verwahrung befand und dem Sohn erst zum Todeszeitpunkt seines Vaters eröffnet wurde und dieser erst dann von der Beschränkung erfuhr (AZ: 33 WX 325/23).
Auch Patchworkfamilien stellen den Berater im Zusammenhang mit der Erstellung eines Testaments immer wieder vor Herausforderungen. Hier trifft man auf unterschiedliche Intentionen, nämlich dass entweder der Elternteil ein Interesse daran hat, dass auch die Abkömmlinge des Partners gleichberechtigt wie die eigenen Kinder erben sollen oder es ist das umgekehrte Interesse der Fall, nämlich zu verhindern, dass im Zeitpunkt des Ablebens die Kinder des länger lebenden Partners Schlusserbe des eigenen Vermögens werden. Bei Patchworkfamilien sind insoweit alle Konstellationen denkbar von absoluter Gleichbehandlung der eigenen und der Kinder des Partners, bis zu einer ganz stringenten Vermeidung eines Eintritts der nicht leiblichen Kinder in die Erbschaft.
Generell handelt es sich bei in Deutschland vererbten Vermögen in 73 % der Erbschaften um Geld, dicht gefolgt von Immobilien, welche in 54 % der Erbschaftsfälle weitergegeben werden. Gold wird nur in 8 % aller Nachlassfälle an die Erben weitergereicht.
Hoch im Kurs steht bei langjährig Verheirateten mit Kindern immer noch das sogenannte Berliner Testament, worin sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Hier besteht i.d.R. eine sehr hohe Akzeptanz dieser Regelung bei den Abkömmlingen, dies zeigt sich in der Beratungspraxis daran, dass nur zu einem recht niedrigen Prozentsatz von einem oder mehreren Abkömmlingen der Pflichtteil nach dem Tode des Erstversterbenden verlangt wird. Man kann dies zwar mit einer Pflichtteilsstrafklausel unattraktiv machen, allerdings zeigt die Erfahrung, dass auch ohne eine entsprechende Strafklausel Kinder diesen Wunsch ihrer Eltern in der Regel akzeptieren.
Holger Weismantel, 2. Dezember 2024
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