Vortrag auf dem 8. Kongress der Kommission für Internationales Privatrecht in Murcia/Spanien (7. bis 9. September 2023) über das deutsch/spanische Scheidungsrecht
Vortrag auf dem 8. Kongress der Kommission für Internationales Privatrecht in Murcia/Spanien (7. bis 9. September 2023) über das deutsch/spanische Scheidungsrecht
Beitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Holger Weismantel
Anlässlich des 8. Kongresses der Kommission für Internationales Privatrecht in Murcia, haben wir einen Vortrag über das deutsch/spanische Scheidungsrecht und grenzüberschreitende Ehesachen gehalten. Der Fokus lag auf Scheidungsverfahren, welche aus rechtlichen Gründen in Deutschland nach spanischem oder deutschem Scheidungsrecht durchgeführt werden.
Im Bereich des Familienrechts ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte zwischen dem deutschen und spanischen Familienrecht, dies resultiert aus der Vielzahl deutsch/spanischer Rechtsbeziehungen und der großen Beliebtheit in der deutschen Bevölkerung zur Begründung eines Wohnsitzes in Spanien. Denkbar sind gemischt nationale Ehen mit einem überwiegenden Aufenthaltsort in Spanien oder auch Ehen ausschließlich deutscher Staatsbürger, die bei einem Scheitern der Ehe in Spanien ein Interesse daran haben, dass die wesentlichen Folgesachen nach deutschem Recht entschieden werden oder auf die Fälle, in welchen ein Partner nach dem Scheitern der Ehe nach Deutschland zurückkehrt. Grundsätzlich sind in derartigen Fällen sowohl die spanischen Gerichte für die Durchführung eines Scheidungsverfahrens zuständig, als auch deutsche Gerichte in den Fällen, in welchen ein Ehegatte nach Deutschland zurückkehrt oder beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit innehaben. Im letzteren Fall ergibt sich für den nach Deutschland zurückkehrenden Ehegatten zum einen die Möglichkeit, die Ehescheidung nach spanischem Recht zu beantragen, zum anderen besteht auch ein Wahlrecht zur Anwendung des deutschen Scheidungsstatuts. Ferner bieten die internationalen Vorschriften die Möglichkeit einer präventiven Rechtswahl durch entsprechende notarielle Urkunde.
Für die Entscheidung, ob bei fehlender präventiver Rechtswahl das Scheidungsverfahren nach deutschem oder spanischem Recht durchgeführt werden soll, ist häufig das im deutschen Scheidungsrecht vorgeschriebene Trennungsjahr ausschlaggebend. Der nach Deutschland zurückgekehrte Ehegatte deutscher Staatsangehörigkeit hat häufig das Interesse, eine Entscheidung der wirtschaftlichen Folgesachen wie Vermögensauseinandersetzung, Zugewinnausgleich und Unterhaltsrecht, nach deutschem Recht durchführen zu lassen. Da die entsprechenden Rechtsvorschriften bei den spanischen Gerichten häufig nicht exakt und nur nach vorherigem Einreichen eines Rechtsgutachtens angewendet werden können, ist die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit in Deutschland von Vorteil. Bei einer Rückkehr eines Partners nach Deutschland kommt es nicht selten zu einem sogenannten „forum-shopping“, das bedeutet, dass die Gerichte des Landes zuständig sind, in welchem zuerst das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich für den deutschen Ehegatten, welcher unmittelbar und vor Ablauf des Trennungsjahres nach Deutschland zurückkehrt, einen Scheidungsantrag nach spanischem Recht in Deutschland einzureichen, da das dortige Recht keine einjährige Trennung zur Voraussetzung hat. Mit Einreichung des Scheidungsantrags in Deutschland sind dann die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch für die Folgesachen deutsche Gerichte zuständig bleiben und sich der Zugewinnausgleich, die elterliche Sorge für in Deutschland lebende Kinder, das Unterhaltsrecht sowie der Zugewinnausgleich, nach deutschem Recht durch ein deutsches Gericht geregelt und entschieden werden. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts in Deutschland richtet sich gemäß § 122 Ziff. 5 FamFG nach dem Aufenthaltsort des antragstellenden Ehegatten.
Grundsätzlich gilt für das Unterhaltsrecht, dass sich dieses nach dem Aufenthaltsort des Berechtigten richtet. Für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten kann ganz allgemein festgestellt werden, dass die deutschen Rechtsvorschriften zu einem höheren und länger anhaltenden Unterhaltsanspruch, insbesondere beim Nacheheunterhalt, führen. Für den Zugewinnausgleich und eine güterrechtliche Auseinandersetzung ist ausschlaggebend, wo die Parteien in den ersten Jahren nach der Eheschließung ihren gemeinsamen Aufenthalt hatten, dies ergibt sich aus Art. 26 (1), a) der EU-Verordnung 2016/1103. Des Weiteren kennt das spanische Recht keinen Versorgungsausgleich, dieser sorgt für einen Ausgleich der ehezeitlich erworbenen Altersanwartschaften. Bei deutschen Paaren, welche zumindest für eine gewisse Zeit in Deutschland Rentenansprüche erworben haben, ist die zusammen mit dem Scheidungsverfahren stattfindende Durchführung des Versorgungsausgleichs ein weiteres Kriterium, welches für die Einleitung eines Scheidungsverfahrens in Deutschland spricht. Zwar kann ein Versorgungsausgleich auch nach einem Scheidungsverfahren in Spanien später in Deutschland beantragt werden, die gleichzeitige Durchführung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Scheidungsverfahrens ist jedoch wesentlich vorteilhafter.
Insgesamt kann nur empfohlen werden, sämtliche Konsequenzen für verfahrenseinleitende Anträge entweder in Spanien oder in Deutschland, zuvor ausführlich abzuwägen. Welche Vorgehensweise im jeweiligen Einzelfall vorteilhaft ist, kann sich auch daran festmachen, ob der Mandant der wirtschaftlich schwächere oder wirtschaftlich stärkere Ehegatte war. Eine ausführliche Abwägung vor einer folgenreichen Antragstellung, sollte insoweit im Rahmen einer rechtlichen Beratung zuvor stattfinden.
Holger Weismantel, 18. September 2023
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